Hallo Arne, liebe Redaktion Inforz,
anbei unser Vorschlag für einen Beitrag im Inforz. Ich hoffe, wir kommen noch nicht zu spät für den Redaktionsschluß der aktuellen Ausgabe. Falls noch Änderungen kommen, erwarte ich diese bis Sonntag, 31.10., 10 Uhr. Vielen Dank für die Möglichkeit, IST darzustellen.
Stephan Hermanns Koordinator Informationssystemtechnik (IST)
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Interview mit dem Studiendekan, Prof. Sorin Alexander Huss und dem stellvertretenden Studiendekan Prof. Andy Schürr des 2003 gegründeten Studienbereichs Informationssystemtechnik.
- Was ist der Studienbereich Informationssystemtechnik?
Der Studienbereich Informationssystemtechnik, kurz IST, ist eine Kooperation des Fachbereichs Elektrotechnik und Informationstechnik und des Fachbereichs Informatik.
- Welche Zielsetzung hat der Studienbereich?
Die angebotenen Studiengänge sollen ein Lücke schließen, die immer deutlicher wird. Es gibt zu wenig Ingenieure, die komplexe Hardware-/Softwaresysteme entwickeln können, die einen hohen informationsverarbeitenden Anteil haben. Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß sich Computer von eigenständigen Systemen zu Komponenten in komplexeren Systeme entwickeln.
- Sind Sie der Meinung, daß der Computer am Arbeitsplatz ausstirbt -- doch wohl kaum, oder?
Natürlich wird der Arbeitsplatzrechner weiterhin seine Existenzberechtigung haben. Ich sehe zwei Entwicklungslinien für Computer. Erstens, der Computer als Maschine zu Hause zum Briefeschreiben wird an Bedeutung verlieren. Rechner werden immer präsenter, behalten aber ihr Image als PC. Beispiele sind PDAs oder Smartphones. Und hier sind wir beim Punkt: Die Akzeptanz für omnipräsente Rechner wird nur bestehen oder zunehmen, wenn die Bedienung den ingenieurmäßigen Ansatz hinter sich läßt und ihre Qualität den Benutzer/die Benutzerin nicht zur Klinikpackung Baldrian greifen läßt. Zweitens: Andere Computer sind bereits allgegenwärtig. Sie haben dabei ihr Image als Rechner verloren, da sie als solche nicht zu erkennen sind. Beispiele sind Waschmaschinen, MP3-Spieler und Autos. Hier haben wir uns bei der Bedienung bereits Richtung Anwender bewegt -- ein Computer wird nicht so bedient, wie heute üblich.
- Autos?
Bei Autos werden die wenigsten an Computer denken -- und wenn dann an MP3-Spieler in Autoradios oder Autos in Science-Fiction-Filmen als selbstfahrende/-fliegende Fahrzeuge. Tatsache ist, daß ein Auto der Oberklasse eine Komplexität erreicht hat, die einem Flugzeug der Airbus-/Boeing-Größenordnung gleichkommt. Man geht bei Vollausstattung von über 70 Prozessoren aus: Airbag, Fensterheber, Antischlupfregelung, Bremsassistent, Sitzeinstellung, Fahrprogramme, Dämpfungsabstimmung, elektronisches Stabilitätsprogramm und so weiter. Betrachtet man die Verbreitung von Prozessoren in Geräten und Fahrzeugen und rechnet auf die Stückzahlen hoch, glaubt man schon eher, daß der Arbeitsplatzrechner nur die Spitze des Eisbergs ist. 1999 wurden z.B. 20-mal soviele Embedded-Prozessoren verkauft wie PC-Prozessoren. Das ist es, was ich mit der Entwicklung von eigenständigen Computern zu Systemkomponenten meinte.
- Bieten die Fachbereiche ETiT oder Informatik nicht die gleichen Studienmöglichkeiten? Können also eine Elektrotechnikstudentin und ein Informatikstudent solche Systeme nicht gleich gut entwickeln?
Die Fachbereiche sind in unterschiedlichen Sichtweisen verwurzelt. Während Elektrotechniker(innen) eine solide Ausbildung mit physikalischen Grundlagen besitzen, sind Informatiker(innen) im logischen Bereich aufgestellt. Aspekte des jeweils anderen Gebietes werden am Rande betrachtet. Was fehlt ist eine Sichtweise, deren Zentrum auf oder zumindest in der Nähe der Gemeinsamkeiten von Elektrotechnik und Informatik liegt. Bereiche, die abseits der gemeinsamen Aspekten liegen, wandern aus dem Fokus des Interesses. So braucht ein(e) Student(in) der Informationssystemtechnik in den meisten Fällen keine Kenntnisse der theoretischen Informatik oder der Energietechnik.
- Welche speziellen Anforderungen an IST-Absolventen stellen sich?
Ich bin der Meinung, ein Blick über den Tellerrand in die andere Disziplin genügt nicht. IST-Absolventen müssen in beiden Disziplinen zuhause sein. Die gefordetren Lösungen erlauben es nicht, nur eine Sichtweise zu haben. Die Systeme sind so komplex, daß man nicht alles in Hardware machen kann -- also muß die Elektrotechnik die Informatik ins Boot holen. Umgekehrt ist die Kommunikation des Systeme mit der Umwelt so ausgeprägt, daß der Informatiker ohne das Wissen der Kollegin aus der Elektrotechnik aufgeschmissen ist. Hinzu kommt, daß hohe Anforderungen an die Qualität des Produktes gestellt wird. Ich nenne gerne das Beispiel des Bluescreen bei Tempo 200 auf der Autobahn. Ein solcher Fall ist nicht akzeptabel und wird auch nicht aktzeptiert.
- Gibt es Interesse aus der Industrie?
Vor der Akkreditierung habe ich informell mit Vertretern aus der Industrie gesprochen. Diese haben Interesse an Absolventen mit diesem Fokus bekundet und angekündigt, solche auch einzustellen -- auch in der näheren Umgebung Darmstadts gibt es Unternehmen.
- Sie sprachen die Akkreditierung an. Ist das ein Qualitätskriterium für die Studiengänge/Abschlüsse?
Die Studiengänge wurden im Jahr 2003 von der ASIIN auf 5 Jahre akkreditiert. Dies ist als besonderes Qualitätsmerkmal des Studiengangs anzusehen, normalerweise wird bei neuen Studiengängen die Akkreditierung nur für die ersten 2 Jahre ausgesprochen.
- Enthält das Studium denn auch praktische Anteile, die in der Industrie gut ankommen?
Im Bachelor-Studium ist ein 12-wöchiges Indutriepraktikum vorgeschrieben, um Soft-Skills wie Teamfähigkeit, ergebnisorientiertes Denken, Selbstdarstellung usw. zu erhalten. Im Master-Studium wird ein 9-wöchiges Fachpraktikum gefordert. Die Praktika sind vor der Bachelor- resp. Masterarbeit abzuleisten.
- Welche Studiengänge werden angeboten?
Wie eben angedeutet, werden die Studiengänge Bachelor und Master Informationssystemtechnik angeboten -- der Bachelor seit Wintersemester 2003/04; der Master ist zum aktuellen Wintersemester gestartet. Die Abschlüsse sind der B.Sc. resp. der M.Sc.
- Gibt es zusätzliche Zulassungsvoraussetzungen?
Neben der allgemeinen Hochschulreife gibt es sprachliche Anforderungen, da die Lehrveranstaltungen und die Studierenden nicht ausschließlich deutschsprachlich sind. Für den Bachelor wird für ausländische Studierende UNICERT III in Deutsch oder ein vergleichbares Sprachzertifikat gefordert. Für den Master wird zusätzlich für alle Studierenden UNICERT II in Englisch oder auch hier ein vergleichbares Zertifikat vorgeschrieben. Die Praktika müssen zum Zeitpunkt der Einschreibung nicht, können aber bereits vor Studienbeginn absolviert werden.
- Wie ist die Ausrichtung der Studiengänge?
Die Veranstaltungen des Bachelor-Studiums lassen sich in drei Gruppen einteilen. Ein Teil dient dem Einstieg in das Studium und zur Orientierung der Studierenden. Dazu zählt z.B. die OPhase der Fachschaften. Der größte Teil der Lehrveranstaltungen vermittelt leistungsorientiert wissenschaftliche Grundlagen. Die Veranstaltungen des dritten Teils, die im fünften und sechsten Semester angesiedelt sind, dienen einer ersten fachlichen Spezialisierung. Konkret sind aus fünf Fachgebieten mindestens vier über Wahlpflichtfächer abzudecken, wobei eine Mindestabdeckung gegeben sein muß. Das Master-Studium ist anders ausgerichtet. Lag beim Bachelor der Schwerpunkt auf den Grundlagen, liegt er beim Master auf der Vertiefung und der Spezialisierung der Kenntnisse. Und natürlich ist die Master-Arbeit umfangreicher. Der Master ist also stärker auf die Vertiefung und in Richtung selbstständiges wissenschaftliches Arbeiten ausgerichtet.
- Welche Möglichkeiten zur fachlichen Ausrichtung bieten die Prüfungspläne?
Im Bachelor-Studium sind die Möglichkeiten zur fachlichen Spezialisierung geringer als im Master-Studium, da erst die Grundlagen gelegt werden müssen. Hier haben wir darauf geachtet, das Schwergewicht auf fachspezifische statt auf mathematisch-naturwissenschaftliche Grundlagen zu legen. Der Wahlpflichtbereich macht ca. ein Viertel der Gesamt-Credits aus, die Grundlagen 60 Prozent. Im Master-Studium verschieben sich die Anteile. Hier haben wir über die Hälfte der Credits im Wahlpflichtbereich und nur 15 Prozent bei den Grundlagen. Im Wahlpflichtbereich der Bachelors und des Masters werden fünf Gebiete angeboten. Das Modulhandbuch im jeweils aktuellen Stand ordnet jede Lehrveranstaltungen einem dieser Gebiete zu. In mindestens vier dieser Gebiete sind Lehrveranstaltungen zu besuchen. Diese Gebiete im Einzelnen sind Kommunikationstechnik, Kommunikationssysteme, Systems on Chip and Embedded Systems, Softwareentwicklung und Anwendungen der Informationssystemtechnik.
- Sie sprechen vom "aktuellen" Modulhandbuch?
Um aktuellen Änderungen zu begegnen, kann ein Modulhandbuch nicht auf Jahre konstant bleiben -- denken Sie nur an neue Fachgebiete oder Lehrbeauftragte, die neue interessante Aspekte betrachten, die man im Kontext Informationssystemtechnik nicht unter den Tisch fallen lassen kann oder sollte. Auf der anderen Seite gibt es natürlich immer 'mal Lehrveranstaltungen, die wegfallen, z.B. weil ein/e Kollege/in die Uni verlassen.
- Kann ein(e) Absolvent(in) IST auch die akademische Laufbahn einschlagen?
Selbstverständlich - nach einer erfolgreichen Beendigung des Master-Studiums. Wir empfehlen eine Fortsetzung des Bachelor-Studiums zum Master. Dieser Abschluss berechtigt zur Promotion und kommt insbesondere in der Industrie wegen des zusätzlichen Praktikums und der fachlichen Vertiefung gut an.
- Was ist ein Studienbereich im Vergleich zum Fachbereich?
Ein Studienbereich erstreckt sich thematisch über mehrere Fachbereiche und ist einem Fachbereich gleichgestellt. Im Gegensatz zu Fachbereichen ist ein Studienbereich nicht so verortet, da vorab eine Aufgabenverteilung zwischen den beteiligten Fachbereichen besprochen wird. Bei IST übernimmt z.B. der Fachbereich ETiT die Aufgabe des Master-Prüfungsamtes und des Praktikantenamts in der Merckstraße, während der Fachbereich Informatik die Studienberatung im Piloty-Gebäude, Raum E307 stellt.
- Studienbereiche sind ja noch relativ neu. Können Sie schon etwas über die Akzeptanz sagen?
Es ist nur natürlich, daß Neues seine Zeit braucht, bis es in den Köpfen ist. Aber wir sind dabei, an vielen Stellen bekannt zu werden. Das übliche Gespräch: "Von welchem Fachbereich kommen Sie? Studienbereich Informationssystemtechnik. Studienbereich? - Ach ja. Mal sehen. iKT sagten Sie? Nein -- IST, iKT ist etwas älter...". Wir sind aber optimistisch -- steter Tropfen höhlt den Stein -- auch den in der Verwaltung der TUD.
- Welche Unterstützung gibt es für Studieninteressierte?
Auf den nächsten Messen Hobbit und HIT wird IST präsent sein. Für die Zukunft sind Schnupperstudien und die Präsenz auf Girls-/Boys-Days angedacht. Unseren Flyer finden Interessierte am Dekanat und der Zentralen Studienberatung -- und auf unserer Web-Seite.
- Und für Studierende?
Unsere Studienberatung, Tel 16-2970, ist immer, leider nicht 24h, für Sie erreichbar. Eine email an studienberatung@ist.tu-darmstadt.de mailto:studienberatung@ist.tu-darmstadt.de wird gerne beantwortet, für persönliche Gespräche vereinbaren Sie bitte einen Termin. In der Prüfungsordnung ist eine Beratung explizit verankert, Entwürfe für Prüfungspläne sind mit den Mentoren zu besprechen -- oder mit der Studienberatung bzw. den Prüfungssekretariaten.
- Die Unterstützung beschränkt sich also nicht auf die "üblichen" Stellen wie Dekanat, Prüfungsamt?
Nein, die Prüfungsordnung verpflichtet explizit zur Beratung. Und am besten rechtzeitig, bevor Zeit in eine Lehrveranstaltung investiert wurde, die den/die Studenten/Studentin zwar fachlich weiterbringt, aber vielleicht nicht im Sinne der PO. Ein Wort zum Mentorsystem. In der Vergangenheit habe ich beobachtet, daß ich als Mentor nur aufgesucht wurde, wenn es ein Problem gab. Wir hätten gerne auch 'mal ein feedback um unser Angebot zu verbessern. Und wenn alles OK sein sollte, hören wir das natürlich auch gern'.
- Wie möchte sich der Studienbereich IST von den Studienbereichen iKT und CE unterscheiden?
Die Studiengänge der Informationssystemtechnik möchte im Gegensatz zur Information- und Kommunikationstechnik (iKT) Aspekte der Elektrotechnik und der Informatik gleichberechtigt zusammenbringen. Wenn jemand eher das Schwergewicht auf die kommunikationstechnischen Aspekte legen will, ist er bei iKT richtig; wenn auch die Softwareentwicklung in eingebetteten Systemen dabei sein soll, ist IST richtig. CE wird durch fünf Fachgebiete aufgestellt und betrachtet die Modellierung und die Simulationsmethode als gemeinsames Fundament. Durch die breite Aufstellung aber nicht nur aus Sicht der Informatik sondern mit speziellen Sichtweisen der anderen Disziplinen.
- Wo gibt es weitere Informationsquellen?
Auf unserer Web-Seite www.ist.tu-darmstadt.de http://www.ist.tu-darmstadt.de finden Interessierte Kontaktadressen, Termine sowie Inhalte wie Ausrichtung, Modulhandbücher und Prüfungs-/Studienordnungen. Und ich bitte, die Möglichkeiten des Mentor-Systems und der Studienberatung wahrzuznehmen.
- Abschließend, warum sollte ein(e) Interessent(in) Informationssystemtechnik studieren?
Wer Interesse hat, praktisch zu verstehen ohne dabei fundierte Grundlagen zu vermissen, wie ein Computer arbeitet und mit seiner Umgebung kommuniziert und ihn dabei nicht nur als Blackbox sehen möchte, ist bei IST richtig. Es ist also keine Informatik-dominierte Betrachtung, sondern eine ganzheitliche Sicht - gleichberechtigt von der Informatik und von der Elektrotechnik aus.
Hallo Stephan,
vielen Dank für das Interview, ich habe es mit reingenommen. Um es etwas aufzulockern habe ich ein paar Bilder von der IST-Webseite genommen (hauptsächlich aus dem Info-Flyer).
Schön wären auch noch Photos der beiden interviewten Professoren, gibt es sowas? (Von Herrn Huss haben wir noch eins aus dem Ophasen- Inforz)
MfG, Arne Pottharst