Liebe Inforz-Redaktion,
nachdem ich den Artikel "Über den Wert von Kopien" gelesen habe, ist mir klargeworden, dass sie meine Meinung zu diesem Thema verändert hat. Zu Studiumszeiten hätte ich diesem Artikel vorbehaltlos zugestimmt. Mittlerweile sehe ich alles ein wenig differenzierter. Schuld daran sind auch einige Artikel aus der "Zeit", in denen sich Autoren (also wirklich die "Hersteller" von Artikel und kein parasitäres Vertriebsimperium) Sorgen darum machten, dass Ihre Werke kopiert werden. Vor allem aber arbeite ich seit mittlerweile 2 1/2 Jahren selber als Software-Entwickler und verdiene mein Brot damit, geistiges Eigentum zu erzeugen. Und ich bin davon überzeugt, dass ein Großteil von euch das irgendwann auch tun wird. Für die Software, die ich entwickle, werde ich bezahlt (Einstiegsgehälter werden in der C'T regelmäßig vorgestellt, den Tagessatz könnt ihr ausrechnen). Außerdem gibt es noch eine Vertriebs- und Marketingabteilung, die ihr Gehalt auch durch das erhalten, was ich entwickle. Das sind Kosten, die man am Ende mit einrechnen muss. Ihr wisst selber, dass man eine Software nicht an einem Tag entwickeln kann, also könnt ihr euch überlegen: Wenn ein Projekt mehrere Monate dauert und mehrere Entwickler beteiligt sind, dann liegen die Kosten nicht mehr im Bereich der zehntausend Euro sondern eher bei hunderttausend. In der Firma, in der ich arbeite, machen wir viele Projekte für die Industrie, wo sich die Kunden so etwas leisten können. Wollten wir ein Programm für den Otto-Normalverbraucher vertreiben, der nicht mehr als 100 Euro bezahlen will, müssten wir schon darauf achten, dass jeder, der unser Programm benutzt, auch dafür bezahlt. Ansonsten könnte ich mir meine Wohnung, mein Mittagessen etc. nicht leisten.
Ich gehe mal davon aus, dass es in der Musikindustrie ähnlich ist. Es hängen einfach mehr Kosten dahinter als man zunächst ertwarten würde und diese kriegt man eben nur dadurch wieder rein, dass man viele Kopien des Werks verkauft.
Aber: Es ist die Entscheidung der Bands, ob sie sich an die großen "parasitären" Labels wenden oder an unabhängige Labels. Und es ist die Entscheidung der Konsumenten, welche Musik sie hören. Es ist schließlich nicht so, dass der Konsum von bestimmeter Musik oder bestimmten Videos lebenswichtig ist. Es handelt sich hierbei um einen Luxus.
Es gibt mittlerweile legale Alternativen zum Kauf von CDs und zum "Raubkopieren". 1) Unter http://www.jamendo.de kann man Musik kostenlos herunterladen, solange man sie nicht kommerziell nutzt. Finanziert wird das Portal und die Künstler über Spenden und den Vertrieb der Musik z.B. als Hintergrundmusik in Restaurants etc. 2) http://www.magnatune.com verkauft Musik mit Vorsatz "we're not evil". Man kann sich die Musik anhören, bevor man sie kauft. Es gibt keinen Kopierschutz und man darf 3 Kopien an Freunde weitergeben. Die Preise kann man zum teil selber bestimmen und die Künstler kriegen 50% der Einnahmen. Das Beste ist, dass beide Portale (und noch andere) mittlerweile in die Linux-Musikprogramme Rythmbox und Amarok integriert sind.
Aber: Jedesmal, wenn ich auf einer Geburtstagsfeier oder bei einem Grillabend Musik aus diesen Quellen aufgelegt habe, wollten die Gäste Musik hören, die von den großen "bösen" Labels kommt.
Fazit:
1) In unserer marktwirtschaftlich orientierten Informations-Gesellschaft ist das Urheberrecht essentiell. Es ist die Basis dafür, dass jemand sein Brot damit verdienen kann, Werke zu erzeugen (sei es Software, Musik oder Filme). Die Diskussion über die Vor- und Nachteile bestimmter Gesellschaftsformen möchte ich an dieser Stelle nicht führen. Später vielleicht einmal. 2) Solange das Urheberrecht Bestand hat, hat der Künstler das Recht mit seinem Werk zu machen, was er will. Er darf die Nutzungsrechte z.B. gegen Geld abtreten und dann ist die Weitergabe des Werks ansonsten eben nicht mehr legal. Man muss dann damit leben, dass man sich unter Umständen strafbar macht, oder man verzichtet eben auf das Werk. 3) In unserer marktwirtschaftlich orientierten Informations-Gesellschaft haben wir als Konsumenten die Möglichkeit den Markt zu beeinflussen. Regt euch nicht über die parasitäre Musikindustrie auf, sondern unterstützt diejenigen, die sich anders verhalten. Schickt Spenden an die Künstler von Jamendo, damit sie weiterhin ihre Musik dort anbieten. Kauft Musik bei Magnatune, damit dieses Label und seine Ideale überleben können. Dort gibt es natürlich nicht die berühmten Bands, aber auch die dortigen machen genug Musik. Nur wenn man die Musikindustrie mit legalen Mitteln boykottiert, hat man die Möglichkeit etwas zu verändern. Dann können nämlich auch die Anwälte nichts mehr ausrichten.
Nils Knappmeier ---------------------------------------------- So liebe Redaktion, ich fände es toll, wenn ihr das im nächsten Inforz abdruckt. Meinetwegen auch mit Korrekturen, solange die Essenz vorhanden bleibt. Ich wollte schon lange mal wieder einen Artikel schreiben. Viele Grüße, Nils