Analyse der aktuellen Bahnsituation Jeder, der häufiger mit der Bahn fährt, kennt die folgende Situation: Man sitzt in einem Zug, muss seinen Anschlusszug erreichen, aber aufgrund einer Baustelle, Weichenstörung oder eines Unfalls kommt der Zug zu spät an und man muss mindestens eine halbe Stunde warten, bis der nächste Zug fährt. Solche Umstiege werden als „gebrochen“ oder „kaputt“ bezeichnet und waren Hauptgegenstand meiner Bachelorabschlussarbeit. Im Folgenden möchte ich ein bisschen erklären, was der Algorithmus, den ich entwickelt habe, macht und wozu er verwendet wird. Meine Aufgabe war es, im Rahmen der Abschlussarbeit mit dem etwas sperrigen Titel „Werkzeuge zur Analyse der aktuellen Situation im Bahnverkehr“, Verbindungen zu finden, welche einen solchen Umstieg verwenden und dazu Alternativen anzubieten. Was sich erstmal nach einem recht komplizierten Unterfangen anhört, ist aber im Grunde genommen ganz einfach: Zur Verfügung steht eine aktuelle Datenbank, welche alle 60 Sekunden mit den aktuellsten Meldungen der „Deutschen Bahn“ aktualisiert wird und u.A. alle Bahnhöfe, Züge, Ankunfts- und Abfahrtszeiten, sowie die Verspätungen und Ausfälle beinhaltet. Aus diesen Daten ist es nun möglich, gebrochene Umstiege zu identifizieren: Man schaut sich die voraussichtliche Ankunftszeit eines verspäteten Zuges an einem Bahnhof an, addiert darauf die Mindestumstiegszeit (also die Zeit, die der Passagier mindestens benötigt, um von einem Bahnsteig auf ein anderes zu wechseln) und überprüft dann anhand der jeweiligen Abfahrtszeiten, welche Züge der Passagier aufgrund dieser Verspätung nicht mehr erreichen kann. Neben den verspäteten Zügen gibt es natürlich auch noch den Fall, dass der Anschlusszug ausfällt oder umgeleitet wurde. Auch diese Fälle können mithilfe einer geeigneten Suchanfrage an die Datenbank gefunden werden. Als nächstes möchte man nun Verbindungen finden, die einen solchen Umstieg verwenden und dementsprechend nicht mehr funktionieren. Dazu nimmt man sich die Haltestellen des Zubringerzuges vor dem Umstieg (als Startpunkt) und die Haltestellen des Anschlusszuges nach dem Umstieg (als Zielpunkt) und baut daraus eine entsprechende Anfrage, die dann an ein Fahrplanauskunftssystem geschickt wird. Ein Fahrplanauskunftssystem ist ein System, welches Eingaben wie Startbahnhof, Zielbahnhof, Abfahrtszeit etc. erhält und daraus eine passende Verbindung sucht. Die Meisten dürften das Tool der „Deutschen Bahn“ oder des „Rhein-Main-Verkehrsverbundes“ kennen, in der Arbeit wurde das System „MOTIS“ (Multi Objective Traffic Information System), eine Eigenentwicklung des Fachgebiets „Algorithmik“, verwendet. Wenn die resultierende Verbindung tatsächlich einen Umstieg an dem zuvor gefundenen Bahnhof hat, ist der letzte Schritt, eine alternative Verbindung zu finden, die den Umstieg nicht mehr verwendet. Dazu wird wieder MOTIS verwendet, diesmal aber unter Berücksichtigung der Verspätungen und Zugausfälle. Da der Passagier aber meist schon in dem verspäteten Zug sitzt, wird hierfür eine spezielle Art von Anfrage gestellt, eine sogenannte „OnTrip-Anfrage“. Diese berücksichtigt zusätzlich die aktuelle Position des Passagiers. So können auch Verbindungen gefunden werden, bei denen der Passagier an einem früheren oder späteren Bahnhof umsteigt, um dort einen anderen Zug zu nehmen. Als Endergebnis bekommt man also Umstiege, die nicht mehr funktionieren, zu jedem dieser Umstiege Verbindungen, die den Umstieg normalerweise verwenden würden und zu jeder Verbindung eine Reihe von alternativen Verbindungen. Nun gibt es aber nicht nur Umstiege, die aufgrund von Verspätungen nicht mehr möglich sind, sondern auch Umstiege, die laut Fahrplan nicht funktionieren dürften, aber wegen eines verspäteten Anschlusszugs oder eines zusätzlich eingesetzten Zugs plötzlich klappen. Auch diese können mit dem Algorithmus nach einer kleinen Modifizierung leicht gefunden werden. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wozu das Ganze? Warum möchte man gezielt diese speziellen Umstiege finden? Die Umstiege werden beispielsweise für spezielle Testfälle von diversen Algorithmen und Programme benötigt, die ebenfalls mit den Daten der Deutschen Bahn arbeiten. Außerdem war es bisher immer so, dass bei der Präsentation von Algorithmen solche Fälle im Vorhinein manuell gesucht oder konstruiert werden mussten, nun ist es möglich, diese an Live-Daten direkt zu präsentieren. Zum Schluss gibt es natürlich noch den folgenden, interessanten Aspekt: Wie viele Umstiege brechen denn so an einem normalen Wochentag? Lässt man den Algorithmus um 08:00 Uhr laufen und sucht alle Umstiege in der folgenden Stunde, so werden ca. 1150 Beispiele gefunden. Das hört sich erstmal recht viel an, allerdings muss man bedenken, dass sich nicht zu jedem dieser Umstiege auch eine Verbindung finden lässt, die von Passagieren genutzt wird. Außerdem werden durch jeden verspäteten Zug mehrere gebrochene Umstiege „generiert“, da meist mehrere Anschlüsse nicht erreicht werden können. Autor: Maximilian Müller