\artikel{Wir m�ssen auch mal �ber Sprache reden} {Kaum eine naturwissenschaftliche Disziplin befasst sich mit Sprachen in einem Umfang wie es die Informatik tut. Im Studium wird dem aber eher wenig Rechnung getragen.} {Zugegeben, die Informatik hat sich in ihrer knapp 50-j�hrigen Geschichte bereits in eine sehr gro�e Anzahl von distinktiven Teildisziplinen entfaltet und unser Lehrplan im Grundstudium ist dadurch entsprechend vielf�ltig bef�llt. Daher ist es auch durchaus verst�ndlich, nicht-essenzielle Inhalte, beispielsweise ein wenig linguistisches Grundwissen, nicht auch noch hineinzustopfen. \newline Dabei ist aber gerade die Betrachtung von Sprachen ein sehr wichtiges Thema in der Informatik. Das f�ngt schon auf der abstrakten Ebene der formalen Sprachen und der verwandten Automatentheorie an, und in den formalen Grundlagenveranstaltungen wird in diesem Zusammenhang auch die Chomsky-Hierarchie formaler Sprachen aufgef�hrt. Richtigerweise, denn nahezu alle g�ngigen Programmiersprachen, mit denen wir Informatiker*innen heutzutage hantieren, basieren auf den darin beschriebenen Prinzipien. \newline Zudem kann man auch bei der Betrachtung von Programmiersprachen durchaus den Bogen in die Linguistik schlagen. Dort befasst sich n�mlich ein eigenes Forschungsfeld mit dem Einfluss von Sprache auf die menschlichen Denkvorg�nge, vorrangig der Frage nach lingusitischer Relativit�t, also inwieweit die Struktur einer Sprache bestimmte Ausdrucksformen erleichtern, erschweren, oder �berhaupt erst erm�glichen kann. Jeder von uns wird beispielsweise im ersten Semester festgestellt haben, dass ein Algorithmus in Scheme/Racket ganz anders formuliert ist als ein Java-�quivalent. Insbesondere Student*innen mit Vorkenntnissen in imperativen und objetorientierten Sprachen werden dabei auch gemerkt haben, dass Programmierung in funktionalen Sprachen erfordert, ein gegebenes Problem aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. \newline Solche Erkenntnisse aus dem Umgang mit artifiziellen und letztendlich immer noch sehr aufgabenspezifischen Sprachkonstrukten wie Programmiersprachen lassen sich aber nur begrenzt auf nat�rliche Sprachen in lokalen sozialen Kontexten �bertragen. Nichtdestotrotz wird ein analoges linguistisches Argument bei der im AStA hei� geliebten Gendering-Debatte �u�erst gern genutzt: dort hei�t dann es oft, dass das generische Maskulinum, das die deutsche Sprache historisch f�r den gemischtgeschlechtlichen Plural vorsieht, unserem Denken einen zu m�nnlichen Gesichtspunkt aufzwingt und andere Geschlechtsidentit�ten marginalisiert. Die empirisch-wissenschaftliche Beweislage zu dieser These ist allerdings eher d�rftig. \newline Ungeachtet des tats�chlichen Ausma�es linguistischer Relativit�t, werfen nat�rliche Sprachen auch noch eine Menge anderer Probleme f�r die Informatik auf. Sehr prominent darunter ist die Verarbeitung nat�rlicher Sprachen, eine zentrale Herausforderung f�r erstaunlich viele Teilbereiche der Informatik, von der Mensch-Maschine-Interaktion �ber die automatisierte Informationserfassung aus menschengeschriebenen Texten bis hin zur IT-Sicherheit, die sich auch mit der Detektion von Phishing-basierten Angriffen befassen muss. \newline Nicht zuletzt spielen auch Fremdsprachen, allen voran Englisch, abseits der wissenschaftlichen Problemstellungen in der Informatik eine gro�e Rolle. Wie kaum ein anderes Forschungsfeld ist die Informatik international vernetzt und es kann sich eigentlich kein*e ernsthafte Wissenschaftler*in mehr leisten, nicht auf Englisch zu publizieren. Dass Deutsch-Muttersprachler sich hierbei oftmals schwer tun, lie�e sich eigentlich durch Sprachf�derung oder auch allein schon mit mehr Kontakt zur englischen Sprache w�hrend des Studiums einfach beheben, z.B. durch Aufhebung des Zwanges zu rein deutschsprachiger Lehre im Grundstudium. Davon haben letztendlich auch Studierende etwas, die nicht auf eine akademische Karriere aus sind, haben doch schlie�lich auch die meisten in Deutschland ans�ssigen IT-Unternehmen internationale Mitarbeiter und in vielen F�llen auch internationale Kunden, mit denen man als Informatiker*in Korrespondenz halten muss.} {Stefan Gries} \newpage