Ich sende Ihnen kommende Woche Feedback.
Viele Gruesse, Helmut Veith
On Thu, May 22, 2008 6:18 pm, Andreas Marc Klingler wrote:
Guten Tag Herr Veith,
anbei finden Sie die Abschrift Ihres Interviews. Bitte schauen Sie drüber und geben uns bescheid, ob es so in Ordnung ist.
Zudem würden wir noch gerne Photos von Ihnen machen. Am besten einmal in D120 (wo das Gespräch stattgefunden hat) und z.B. in Ihrem Büro. Bitte geben Sie uns bescheid, wann Sie zwischendurch fünf bis zehn Minuten Zeit dafür haben. Wir sind da sehr flexibel.
Gruß Andreas Marc Klingler
\Frage Wo waren Sie, bevor Sie nach Darmstadt gekommen ist?
\Antwort Ich habe an der TU Wien studiert und promoviert. Einige Jahre war ich dann immer wieder in Pittsburgh und habe dort meinen Postdoc gemacht. Anschließend habilitierte ich mich zunächst 1,5 Jahre und dann noch mal einige Sommer in Wien. Bin ich dann vor mittlerweile vier Jahren nach München berufen wurden und jetzt seit Februar in Darmstadt bin.
\Frage Was ist Ihr erste Eindruck von Darmstadt gewesen?
\Antwort Darmstadt ist eine sehr nette Stadt. Die Leute sind erstaunlich freundlich und wenn man das den Leuten sagt, sind sie vollkommen überrascht. Hier sind alle sehr hilfsbereit. Ich kann nur das Beste sagen über Darmstadt auch mit dem Park und dem "Campus Feeling".
\Frage War das in Wien nicht so?
\Antwort *leicht empört* Na, Wien ist auch eine schöne Stadt. Ich bin Österreicher und in der Nähe von Wien aufgewachsen.
\Frage Was haben Sie studiert?
\Antwort Computationale Logik. Das ist ein Studiengang, den es eigentlich gar nicht gegeben hatte. Den haben wir uns selbst geschaffen. In Österreich kann man sich bei Interessenlage einen Studienplan zusammenstellen und sich diesen vom Ministerium genehmigen lassen. Das bedeutet dann natürlich einen organisatorischen Mehraufwand, aber es hat auch Spaß gemacht. Das Studium war dann eine Mischung von Logik und Mathematik auf der einen Seite und Informatik auf der anderen Seite.
\Frage Also ähnlich wie Mathematics with Computer Science (MCS)?
\Antwort Ja, wobei in Wien der Anteil von Mathematik und Informatik sehr ausgewogen war, während hier der Informatikanteil nur ca. ein Viertel ist. Hinzu kommt noch, dass in Wien immer ein sehr großer Wert auf die Logik in der Informatik gelegt wurde.
\Frage War das auch Ihr Lieblingsfach im Studium?
\Antwort Ja. Das war sicher einer der Hauptgründe für diesen Studiengang.
\Frage Wie sieht Ihr Forschungsplan aus?
\Antwort Unser Fachgebiet wird den Namen ''Formal Methods in System Engineering'' tragen. Auf der einen Seite steht die Aufgabe, dass man informatische Systeme wirklich bauen will und auf der anderen Seite stehen dann die exakten mathematischen Methoden, damit diese Systeme auch korrekt funktionieren. Gerade im Bereich der Eingebetteten Systeme (Automobil-, Flugzeugindustrie) gibt es sehr sicherheitskritische Fragen, vor allem in Sinne von ''safety''.
\Antwort Der Fluch der Informatik ist, dass jeder ein kleines Programm schreiben kann und dieses auch ändern kann, wodurch das ganze sehr fehleranfällig wird. Man braucht also Methoden, die über das klassische Software Engineering, bei dem der Programmierer und seine Tätigkeiten kontrolliert werden, hinausgehen, und die dann tatsächlich das Programm überprüfen. Man kann das vielleicht mit der Funktionalität eines Compilers vergleichen, der den Programmcode auf bestimmte Eigenschaften untersucht. Ideal wäre es, wenn der Compiler das Programm auch noch auf Terminierung überprüfen könnte. Mit so einem Compiler hätte Microsoft ein paar Probleme weniger.
\Antwort Wir entwickeln also Methoden und Tools, die es uns erlauben Korrektheitseigenschaften von Software und Hardware zu überprüfen. Eine zentrale Methode ist ''Model Checking''. Darüber halte ich auch meine erste Vorlesung hier. Außerdem gibt es in diesem Semester auch noch ein Seminar über automatische Korrektheisanalysen von Software.
\Frage Wissen Sie schon, was Sie im Wintersemester anbieten werden?
\Antwort Geplant sind zwei Vorlesungen. Die eine Vorlesung soll eine Lücke schließen, die es hier in der theoretischen Informatik gibt - die Komplexitätstheorie. Das ist einfach ein Grundwerkzeug für jeden Informatiker. Die andere Vorlesung behandelt Entscheidungsprozeduren. Da werden NP vollständige Probleme auf Subsolver reduziert. Das sind hoch optimierte Programme, die mit den klassischen booleschen Erfüllbarkeitsproblem gut umgehen können. Es handelt sich dabei nur um ein paar Zeilen C-Code.
\Frage Welche Voraussetzungen braucht man für die Vorlesungen?
\Antwort Das wichtigste für mich ist Begeisterung. Außerdem setzt man natürlich das Grundstudium voraus. Mit der Logik im Grundstudium sind sie dann sehr gut vorbereitet auf die Veranstaltungen.
\Frage Wie sind Sie zur Informatik gekommen?
\Antwort Ich hatte im Abitur (Matura) eine Studienarbeit über automatische Sicherheit gemacht. Danach wollte ich eigentlich Mathematik studieren, aber da wurde ich von meinem Informatiklehrer zu einem theoretischen Informatiker geschickt, der mir dann sagte, dass solche Leute wie mich dringend in der Informatik gebraucht werden. Das hat mich dann überzeugt. Und da habe ich mit zwei Studienkollegen diesen neuen Studiengang geschaffen.
\Frage War das schwierig?
\Antwort Mit dem nötigen Enthusiasmus kann man bei den Professoren sehr viel erreichen. Das ist auch mein Tipp an die Studierenden: Wenn Sie an einem speziellen Thema interessiert sind und dann als Gruppe an einen Professor heran treten, dann glaube ich, dass Sie einiges Interesse erwecken können. Bei mir ganz sicher, es sei denn es liegt völlig außerhalb meiner Expertise. Wir warten doch in unserer Branche auf nichts so sehr wie auf begeisterte Studenten.
\Frage Haben Sie noch Tipps für Studenten?
\Antwort Man sollte die Informatik nicht nur als Programmierausbildung verstehen. Es ist einfacher, mit einem guten fundierten theoretischen Wissen praktische Probleme zu lösen.
\Frage Lassen Sie Ihre Tür offen stehen?
\Antwort Eine Tür, die immer offen steht, da fühlt man sich beobachet, gerade hier im Erdgeschoss. Ich sitze in E3 mit Prof. Mantel und Prof. Fürnkranz (fast alle Österreicher in einem Trakt). Dort ist es etwas ruhiger, aber trotzdem kann man nicht ständig die Tür offen haben, weil man auch konzentriert arbeiten muss. Man kann aber jederzeit anklopfen. Das schlimmste was passieren kann ist, dass ich keine Zeit habe, aber dann machen wir einen Termin aus.
\Frage Was ist bei Fragen?
\Antwort Ich stehe immer unmittelbar vor und nach der Vorlesung zur Verfügung. Bei schwierigeren Problemen macht man dann einen Termin mit mir aus, entweder nach der Vorlesung oder per E-Mail.
\Frage Was sind Ihre allgemeine Zukunftsvorstellungen hier an der TU Darmstadt.
\Antwort In der Informatik hat man viele Anküpfungspunkte in verschiedene Richtungen. Das wird sich dann mittelfristig oder in verschiedenen Projekten ergeben. Das kann man jetzt noch nicht sagen.
\Frage Warum ist der Frauenanteil in der Informatik niedrig? Und wie könnte man diesen anheben?
\Antwort Das ist eindeutig ein Problem der deutschsprachigen Länder. Es ist also ein kulturelles Problem. Wir haben ja generell schon zu wenige Studienanfängerinnen, was mit der Schulausbildung und mit der Gesellschaft zusammenhängen muss. In Italien zum Beispiel studieren sehr viele Frauen Informatik. Ein wichtiger Punkt sind die Vorbilder und da ist Darmstadt mit drei ganz ausgezeichneten Professorinnen sehr stark. Auf der anderen Seite muss man eben in Schulen gehen und Werbung für die Informatik machen.
\Antwort Ein Problem ist auch, dass die Informatik sehr einseitig dargestellt wird. Insofern besteht auch die Gefahr, dass das derzeitige Interesse wegbricht, sobald in der Zeitung steht, dass die Jobaussichten für Informatiker schlecht sind. Aber wir merken schon sehr stark, dass über Prognosen der Arbeitsmarktsituation die Anzahl der Studienanfänger sich stark ändern. Wir müssen einfach mehr vermitteln, dass die Informatik eine anspruchsvolle Wissenschaft ist. Wir sollten wegkommen von der rein technischen Ausbildung hin zu einer naturwissenschaftlichen Ausbildung.
\Frage Wenn Sie das heutige Studium mit ihrem damaligen vergleichen, welche Unterschiede fallen Ihnen auf?
\Antwort Die Bildung hat bei uns eine viel zentralerer Rolle gespielt. Man merkt, dass Ihre Generation sich sehr stark unter Druck fühlt, in kürzester Zeit eine auf dem Arbeitsmarkt anwendbare Ausbildung zu bekommen. Ich kann das nicht ganz nachvollziehen, weil man sich sehr viel mehr auf die Informatik einlassen kann und dann trotzdem noch auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar sein wird und mittelfristig vielleicht sehr viel besser.
\Frage Meinen Sie dass der Druck stärker geworden ist?
\Antwort Man hört es von Seiten der Studenten: Bologna-Prozess, Anrechenbarkeit usw. Der Trend geht sehr stark hin zur Berufsausbildung statt zu einer wissenschaftlichen Ausbildung. Vor 15 Jahren wurde man noch an die Fachhochschule geschickt wurde, wenn man eine Berufsausbildung wollte. Ich möchte das jetzt nicht bewerten, aber es haben sich einfach die Rahmenbedingungen geändert. Ich denke schon, dass sich durch die Umstrukturierung die Universitäten es schaffen werden sich als elitär zu profilieren und auch wieder zu dem klassischen Bildungsgedanken zurückfinden.
\Frage Was halten Sie von der Exzellenzinitiative?
\Antwort Ich denke schon, dass das sehr wichtig ist, um international mithalten zu können. Und dazu gehört es, dass man Institutionen hat, in denen die begeistertsten Wissenschaftler und Leute, die Tag und Nacht arbeiten wollen, einander treffen und zusammen arbeiten. Und deswegen muss man sich schon von dem Gedanken lösen, dass das an jeder Uni und in jeder Stadt passieren kann. Entscheidende Rolle spielt dabei Geld, weil man dann die entsprechenden Leute auch anlocken und anstellen kann.
\Frage Sie waren ja im Ausland...
\Antwort Ich komme aus dem Ausland *lacht*
\Frage Was ist der größte Unterschied zwischen der Kultur im deutschsprachigen Raum und den USA?
\Antwort Wir müssen noch daran arbeiten, bei den Studierenden einen Stolz auf die eigene Institution zu entwickeln. Wir vermitteln viel zu wenig, was für wissenschaftliche Größen auf den Korridoren wandeln. In der Carnigan Mellon University (Pittsburgh) hat es jede Woche ein doppelseitiges Informationsblatt gegeben mit diversen Neuigkeiten, Auszeichnungen usw. Dadurch wird der Gemeinschaftssinn und die Identifikation mit der Universität gefördert.
\Frage Glauben Sie, dass da mehr getan werden muss?
\Antwort Der Druck auf die Universitäten wird auch von außen größer. Dadurch wird versucht, die eigenen Qualitäten stärker heraus zu arbeiten. Es ist ja auch für uns wichtig, dass Sie Ihren Freunden und Familien sagen, wie toll es ist, an der TU Darmstadt zu studieren. Die besten natürlich in der Informatik. *lacht*
\Frage Viele Studenten betrachten die Vorlesungen als passive Veranstaltung...
\Antwort Das ist auch eine Finanzierungsfrage. An den großen Universitäten sitzen immer nur 40-50 Studenten in den Grundvorlesungen. Das hängt vom politischen Willen ab.
\Frage Glauben Sie dass durch solche Veranstaltungen in der USA der Student mehr Richtung Forschung getrieben wird?
\Antwort Es wird großen Wert auf selbständiges Arbeiten gelegt. Man verbringt weniger Zeit in Vorlesungen und mehr Zeit mit Hausübungen, selbständigem Studium und Bücher lesen. Es wird eigentlich erwartet, dass, sobald Sie in die Vorlesungen kommen, das entsprechende Kapitel schon gelesen haben. Damit der Professor Ihnen die interessanten Aspekte erzählen kann und nicht das was Sie ohnehin schon in Büchern nachlesen können. Das würde hier natürlich einen gewissen Kulturbruch bedeuten.
\Antwort Die andere Seite ist - das klingt vielleicht etwas elitär - aber wenn sie von vorn herein nur 15% der Studenten zulassen, dann dürfen Sie davon ausgehen, dass sie alle mit sehr viel größeren Enthusiasmus kommen. Ich sage jetzt nicht, dass man das machen soll, aber natürlich steckt dieser Enthusiasmus auch an. Es sind halt zwei unterschiedliche Systeme.
\Frage Wir haben zum Schluss noch einige offene Sätze, die Sie vervollständigen dürfen: Informatik ist für mich...
\Antwort ... eine Grundlagenwissenschaft.
\Frage Mathematik ist für mich ...
\Antwort ... wichtiges Werkzeug der Informatik.
\Frage Das Piloty Gebäude ist ...
\Antwort ... wunderschön und viel zu klein.
\Frage Die schönste Programmiersprache ist ...
\Antwort ... Prolog.
\Frage 42 ist ...
\Antwort ... die Antwort auf alles.
\Frage Herr Veith, wir danken Ihnen für das Gespräch.